Komplexe Anforderungen an die Gestaltung von Schulen und Lernorten
Hochwertig bauen für gute Bildung
Schulen müssen eine Vielzahl an Aufgaben erfüllen und dabei unterschiedlichsten Anforderungen gerecht werden. Lernorte sind mehr als reine Stätten der Informationsvermittlung, sie müssen u.a. auch soziale, städtebauliche, nachhaltige und Sicherheitsaspekte berücksichtigen. Sowohl im Neubau als auch bei der Sanierung sind Planer und Architekten daher auf vielen Ebenen gefordert. Wie kann es gelingen, ein Umfeld für Kinder und andere Lernwillige zu schaffen, das möglichst viele dieser Anforderungen vereint? Wir beleuchten einige zentrale Aspekte.
Die Reformpädagogin Maria Montessori hat mit Blick auf die Schulform des ausgehenden 19. Jahrhunderts gesagt: „Nicht das Kind soll sich der Umgebung anpassen. Wir sollten die Umgebung dem Kind anpassen.” Das von ihr entwickelte Bildungskonzept beruht auf dem Bild des Kindes als „Baumeister seines Selbst“ und setzt auf eine freie Entfaltung von Kindern, die auch den Raum mit einbezieht. Wenngleich die Maximen der Montessori-Pädagogik heute durchaus vielerorts Berücksichtigung finden, bleibt in dieser Hinsicht noch viel zu tun. Schulen und Universitäten, aber auch Kindergärten befinden sich häufig im Spannungsfeld zwischen pädagogischem Anspruch und Wirtschaftlichkeit. In nicht wenigen Städten und Kommunen fehlen Schulen oder es gibt einen Sanierungsstau. Der Bedarf an – gut gestalteten – Schulen ist also groß. Und die Corona-Pandemie hat viele Probleme wie unter einem Brennglas sichtbar gemacht. Sie hat aber auch kreative Potenziale gefördert. Wo nicht bereits flexible Raumkonzepte umgesetzt waren, hat gerade das Lehrpersonal nach Wegen gesucht, Abstand zu halten oder ist im Wortsinn neue Wege gegangen. Sei es das Ausweichen nach Draußen, die Umnutzung von Gemeinschaftsflächen oder der Umgang mit digitalem Unterricht. Und hat damit einerseits gezeigt, wo es an Möglichkeiten fehlt, und andererseits durch flexibles Handeln neue Potenziale erschlossen. Und Flexibilität, gerade hinsichtlich der Raumaufteilung und -nutzung, ist auch einer der wesentlichen Aspekte bei der Planung von modernen und zeitgemäßen Schulgebäuden und Lernorten.
Lernerfolg durch umfassende Planung
Bei der Planung von Schulgebäuden orientiert sich gute Architektur an den pädagogischen Bedürfnissen. Diese sind der Ausgangspunkt des Konzeptes. Zugleich muss die Funktionalität sichergestellt sein und die Anforderungen an die Nutzung müssen geklärt werden. Dafür ist es sinnvoll, sich im Vorfeld mit allen Beteiligten beispielsweise in einem Workshop zusammenzusetzen und dies zu klären. Folgende Fragen sollten dabei thematisiert werden, empfehlen Homann Architects, die über langjährige Erfahrungen bei Bildungsbauten verfügen: „Welche Klassen bilden ein Cluster? Welche Differenzierungsbereiche sind gewünscht, in denen die Schüler*innen auch in kleineren Gruppen arbeiten können? Wie sollen die Klassen- und Fachräume in technischer Hinsicht ausgestattet sein?“ Für die Architekten steht dabei immer die Frage im Mittelpunkt, was die Kinder brauchen. Hier ist neben klaren Strukturen vor allem die Integration von ruhigen und aktiven Zonen ein wichtiges Kriterium. Sowohl Ruhezonen wie Bibliotheken als auch Bereiche, in denen die Kinder ihrem natürlichen Bewegungsdrang nachkommen können, müssen mit eingeplant werden. Und natürlich gilt es auch die Bedürfnisse der Lehrenden zu berücksichtigen.
Noch weiter gehen die österreichischen Architektinnen von nonconform: „Es tut sich definitiv etwas in der Bildungslandschaft,“ ist Caren Ohrhallinger überzeugt. „Wir beobachten, dass Bildungszentren als Bauaufgabe räumlich durchaus auf Basis der zeitgemäßen pädagogischen Konzepte errichtet werden, und man erkennt, dass sie großes Potenzial in sich bergen, soziale Treffpunkte für Gemeinden, Stadtteile oder Quartiere zu werden.“ Dabei gehe es vor allem darum, den Begriff Bildungszentrum über die Schultore hinaus zu denken und Vernetzungen mit der Umgebung zu schaffen. Ein interessantes Beispiel für diesen Ansatz ist die Sanierung der Enrico-Fermi-Schule in Turin nach einem Entwurf der ArchitektInnen Alberto Bottero und Simona Della Rocca von BDR bureau, die einen Bestandsbau aus den 1960-Jahren in eine offene, 5.579 Quadratmeter große Lernlandschaft verwandelt haben. Das Besondere ist die Anbindung der Schule an das Quartier. Dafür wurden zusätzliche Funktionen wie Mensa, Bibliothek, Sporthalle und Auditorium im Erdgeschoss untergebracht, die nun teilweise von verschiedenen Vereinen genutzt werden können.
Klimakomfort, Ruhe und Sicherheit
Bildungsbauten müssen, wie andere Nichtwohngebäude auch, bestimmte energetische Standards erfüllen. Dazu gehören eine ausreichende Wärmedämmung ebenso wie ein regelkonformes Energiekonzept, das auch Schutz vor sommerlicher Überhitzung bietet. Zudem stellen sich bei Schulen zusätzliche Anforderung an die Sicherheit und an die Akustik. So ist Lärm einer der häufigsten Störfaktoren im Unterricht – was häufig unterschätzt wird. Zu viel Lärm behindert die Konzentration und kann sogar zu Kopfschmerzen führen. Dabei können sowohl Geräusche im Klassenzimmer als auch Geräusche von außen zu Beeinträchtigungen führen. Corona hat das Problem weiter verschärft: So leidet die Verständlichkeit im Unterricht unter den Mund-Nasenbedeckungen und Auto- oder Straßenlärm bei häufig geöffneten Fenstern stört ebenfalls. Für die Planung bedeutet das, entsprechende bauliche Maßnahmen zu ergreifen, um Hall in Klassenräumen zu vermeiden oder Lüftungsmöglichkeiten zu schaffen, die ohne permanentes Öffnen der Fenster funktionieren. Die in vielerlei Hinsicht wünschenswerte Flexibilität der Schulräume stellt bezüglich der Akustik wiederum eine Herausforderung dar. Hier ist es wichtig, Ruhezonen mit einzuplanen und offene Bereiche gegebenenfalls zu unterteilen.
Licht zum Lernen
Tageslicht ist ein wesentlicher Einflussfaktor beim Lernen. Kaum etwas beeinflusst unser Leben so sehr wie das Sonnenlicht. Umso wichtiger ist es, das Licht als eigenständigen Faktor in die Planung bei Sanierung oder Neubau einzubeziehen. Die einfachste Möglichkeit, ausreichend Licht in Klassenräume zu bringen, sind große Fenster. Wo Räume zu groß bzw. zu tief sind oder ungünstig liegen, weil beispielsweise Nachbargebäude oder Bäume Schatten werfen, können lichtlenkende Maßnahmen den Lichteinfall erhöhen. Auch Fenster mit einer hohen Lichttransmission sind eine effektive Maßnahme, um die Lichtausbeute zu erhöhen und ausreichend Tageslicht in Schulräume zu leiten.
Fazit
Der Bau von Gebäuden, die dem Lernen und der Bildung dienen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die ebenso spannend wie komplex, ebenso herausfordernd wie erfüllend ist. Eine zentrale Erkenntnis sollte dabei als Leitlinie dienen: Kinder brauchen Raum und Möglichkeiten, sich und die Welt zu entdecken und zu verstehen. Die Architektur kann dafür die passenden Rahmenbedingungen schaffen, so dass in Schulen ausreichend Fläche, ein abwechslungsreiches Umfeld, eine gute Akustik und viel Tageslicht zur Verfügung stehen. Dafür ist eine Planung, die möglichst alle Beteiligten einbezieht, unerlässlich. Dann haben die Kinder die Möglichkeit, sich als „Baumeister ihres Selbst“ zu entfalten, wie es Maria Montessori postuliert hat.
Ein beeindruckendes Beispiel wie Wohlbefinden und Lernerfolg durch umfassende Planung mit Fokus auf thermischem Komfort, guter Akustik und hohem Tageslichteintrag gelingen kann, zeigt dieser Film über eine Grundschule im niederländischen Breda.
Zum Special “Bildungsbauten & Glas”