Bestechendes Ensemble
Glasfassade mit Digitaldruck am Nadelwerk Ichtershausen
Auf der Glasfassade des Neubaus auf dem Gelände der ehemaligen Nadelfabrik in Ichtershausen finden sich übergroß dargestellte Zeugen der Werksgeschichte: Teile des letzten Sortiments, in Digitaldruck auf die Glasscheiben aufgebracht, bewahren die Geschichte und halten sie lebendig.
„Das Besondere an diesem Objekt ist zum einen, wie das Alte sich im Neuen wiederfindet, und zum anderen die Tatsache, dass wir sehr früh in die Planungen mit eingebunden waren“, erklärt Sandro Lamprecht, Vertriebsleiter von GLASSOLUTIONS-Standort Glaskontor Erfurt, auf die Frage, was das sanierte und erweiterte ehemalige Nadelwerk in Ichtershausen so spannend für ihn macht. „Indem sich die Produkte, die damals hier hergestellt wurden, auf der Fassade des Neubaus wiederfinden, wird ein Stück Geschichte bewahrt und lebendig gehalten“, so Lamprecht. Und es ist eine Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden. Das Nadelwerk Ichtershausen, 1862 vom Kaufmann W. Wolf und dem Ingenieur A. Knippenberg gegründet, gehörte zu den wichtigsten Nadelproduzenten weltweit. Begonnen hatte alles mit Näh-, Stick-, Stopf- und Stricknadeln, später kamen chirurgische Nadeln, Reißzwecken, Rouladennadeln und viele andere dazu. Bis zum Jahr 1900 entwickelte sich der Betrieb zu einer der größten Nadelfabriken der Welt mit einem vielfältigen Fertigungsprogramm. Zu Hochzeiten, in den 1980er-Jahren des letzten Jahrhunderts, hatte das Nadelwerk in der thüringischen, südlich von Erfurt gelegenen Gemeinde fast 1.000 Beschäftigte und einen jährlichen Produktionsausstoß von zwei Milliarden Nadeln, Reißzwecken u. ä. Mit dem Ende der DDR begann auch der Abstieg des Nadelwerkes, 1996 wurde der Betrieb eingestellt. Was geblieben ist, sind die teilweise denkmalgeschützten Gebäude mitten in der Gemeinde Ichtershausen. Und was daraus geworden ist, ist ein gelungenes Beispiel für bürgerschaftliches Engagement und produktive Zusammenarbeit von Politikern, Planern, Bürgern und – in diesem Fall – Glasveredlern.
Baukörper und Fassade mit Bezug auf Industriegeschichte
Der Impuls zu diesem Prozess ging von der Gemeinde aus, die das leer stehende Gebäude 1998 kaufte und bezog und mit einer schrittweisen Sanierung begann. Als Ergebnis einer Nutzungsstudie wurde dann 2012 beschlossen, den restlichen Bereich grundlegend zu sanieren und um den bisher in Ichtershausen fehlenden Mehrzwecksaal in einem zu erstellenden Neubau zu ergänzen. Für die Studie wurden Einwohner, Firmen und Vereine sowie eine von allen Gemeinderatsfraktionen besetzte Arbeitsgruppe nach ihren Wünschen für das Gelände befragt. Mit der Gesamtquartiersplanung für das neue Kommunikations-, Informations- und Bildungszentrum wurde die SIGMA PLAN® WEIMAR GmbH beauftragt.
Das nach den Entwürfen der Weimarer Architekten entstandene Gebäudeensemble, die Neue Mitte Ichtershausen, ist heute das gesellschaftliche und politische Zentrum des Ortes. Und Zentrum des Quartiers ist der Mehrzweckbau. Dessen Baukörper und Fassade nehmen Bezug auf die Industriegeschichte des Ortes, wie der für das Projekt federführende Architekt Jan Weyh von SIGMA PLAN® erläutert: „Der Baukörper folgt alten Bebauungskontouren, Rasterung und Proportion der Pfosten- Riegelfassade wurden aus der Industrieverglasung abstrahiert“.
Letztes Sortiment des Nadelwerks in Digitaldruck auf Glas
Und noch auf eine andere, raffinierte Weise spiegelt sich die Unternehmensgeschichte in dem Gebäude wieder: Auf der Glasfassade findet sich ein Teil des letzten Sortiments des Nadelwerks wieder, in Digitaldruck auf den Glasscheiben. Die Gläser für die Fassade fertigte das Glaskontor Erfurt in Kooperation mit Thiele Glas. Die Entscheidung für diese Motivserie wurde in Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe der Bürger Ichtershausens gefällt und so ziert die Fassade jetzt ein Auszug des letzten Produktkataloges vor der Stilllegung. Die Nadelmotive befinden sich auf Paneelfeldern, die die Glasfassade zusätzlich gliedern. Die digital bedruckten Gläser wurden dafür zu gedämmten Sandwichpaneelen aufgebaut, um in die Pfosten-Riegelfassade integriert werden zu können. Der Druck ist auf der Glasinnenseite angebracht und sorgt für überraschende Spiegelungen. Anspruchsvoll war die Umsetzung, erzählt Sandro Lamprecht: „Zunächst ging es darum, die Motive in Druckvorlagen umzuwandeln und diese dabei den Glasgrößen anzupassen, auch die Optik musste stimmen, denn teilweise gehen die Nadeln über mehrere Etagen. Gemeinsam mit den Architekten und Thiele Glas, das die Gläser bedruckt hat, haben wir in einer Reihe von Besprechungen immer wieder Anpassungen vorgenommen und Muster erstellt.“ Der GLASSOLUTIONS-Standort Glaskontor Erfurt lieferte und montierte insgesamt 285 m2 TG-Print ESG-H 6 mm mit Digitaldruck und 265 m2 Wärmeschutzverglasung CLIMAPLUS ONE als Zweifach-Isolierverglasung und als Verbundsicherheitsglas teilweise absturzsichernd.
Lebendiges Zentrum neue Mitte Ichtershausen
Mit der neuen Mitte Ichtershausen ist ein lebendiges Zentrum entstanden, das vielfältigen Nutzungen Räume eröffnet. Der neue Mehrzweckbau bietet auf rund 2.660 m2 Bruttogeschossfläche einen Mehrzwecksaal, ein Restaurant sowie Platz für Veranstaltungen und Gründerbüros. Ein Stockwerk wird zur Gesundheits- und Bildungsetage, ein weiteres steht den Ichtershauser Vereinen zur Verfügung. Zudem ist ein Nadelwerkmuseum geplant. Damit wird die Geschichte des Ortes sich auch im Inneren der neuen Gebäude wiederfinden.