Grundschule Clenze: Architekt und Lichtplaner im Interview
Tageslichtplanung für gute Architektur
Mit einem biologisch wirksamen Lichtkonzept für den Neubau der Grundschule in Clenze gewann das Hamburger Lichtplanungsbüro Peter Andres den Deutschen Lichtdesign Preis 2019 in der Kategorie Tageslicht. Architekt Ralf Pohlmann hatte die Lichtplaner für das Schulprojekt ins Planerteam geholt. Im Interview mit dem COME-INN-Magazin erläutern Ralf Pohlmann von Pohlmann Architekten sowie Peter Andres und Arne Hülsmann vom Lichtplanungsbüro Andres, warum Lichtplanung – vor allem Tageslichtplanung – für die Architektur so wichtig ist: Das Interview in Auszügen.
Redaktion: Herr Pohlmann, wie kamen Sie auf die Idee, Peter Andres als Lichtplaner für die Grundschule Clenze zu gewinnen?
Ralf Pohlmann: Ich habe Professor Andres auf einem Kongress in Oldenburg kennengelernt, wo er unter anderem über die biologische Wirkung von Tageslicht und Beleuchtung auf das Lernverhalten und die Konzentrationsfähigkeit von Schülern gesprochen hat. Vieles war mir bis dahin noch nicht bekannt, zum Beispiel, wie wichtig die richtige Beleuchtungsstärke für die Leistungsfähigkeit der Schüler ist. Bei dem Projekt in Clenze war ja meine Aufgabe, eine Schule zu bauen, die den Kindern möglichst gute Rahmenbedingungen für das Lernen bietet. Da ist Licht ein ganz wesentlicher Faktor. Ich habe dann meiner Auftraggeberin, der Samtgemeinde Lüchow (Wendland), deutlich machen können, dass wir mit einer fundierten Lichtplanung noch viel optimieren können. (….)
Peter Andres: Dazu muss man wissen, dass wir Menschen einem Schlaf-Wach-Rhythmus folgen, der ungefähr 25 Stunden lang ist. Diese „innere Uhr“ wird auch „circadianer Rhythmus“ genannt und ist genetisch determiniert. Wir benötigen jeden Tag eine bestimmte Lichtmenge, um uns auf den 24-h-Rhythmus zu synchronisieren und wieder aktiv zu werden. Besonders Kinder sind morgens häufig noch im „Schlafmodus“, da sie größtenteils zum Chronotypen „Eule“ gehören. Sie brauchen für einige Stunden mindestens 1.000 Lux, um sozusagen „wach“ zu werden. Dass dies immense Auswirkungen auf den Lernerfolg in der Schule hat, liegt auf der Hand. (…)
Redaktion: Kann man sagen, dass die Normen und Bauordnungen, mit denen sich Architekten beschäftigen, in dieser Beziehung nicht ausreichend sind?
Arne Hülsmann: Die Normen haben einen anderen Schwerpunkt. Es gibt seit den 1930er-Jahren den Tageslichtquotienten als Verhältniswert des Tageslichteintrages. Dieser hat jedoch bisher seinen Weg in das Curriculum der Architektenausbildung noch nicht wirklich gefunden. Die meisten Werte in den Normen würden im Prinzip schon ausreichen, wobei die Normen ja immer nur einen empfehlenden Charakter haben. Leider wird das Thema Tageslicht oft mehr als Problem, denn als Chance wahrgenommen. Dabei kann man am Beispiel der Schule in Clenze sehr schön sehen, dass es einen gestalterischen Mehrwert hat, wenn man mit viel Tageslicht im Innenraum arbeiten kann. (…)
Redaktion: Wann ist für Sie als Lichtplaner der beste Zeitpunkt, in ein Projekt einzusteigen? Wie gehen Sie vor?
Arne Hülsmann: Unter Lichtplanung verstehen die meisten am Bau Beteiligten ja eine reine Kunstlichtplanung. In unserem Büro fangen wir aber immer zuerst mit dem Tageslicht an, das ist uns sehr wichtig. Der ideale Zeitpunkt ist daher in der Wettbewerbsphase, wenn die Volumina gerade in der Geburtsphase sind. Wie eng können die Häuser gestellt werden, wie müssen sie ausgerichtet sein, um ein möglichst hohes Tageslichtpotenzial zu erhalten? Wie kann man ein Grundstück so bebauen, dass sich möglichst viel qualitätsvolle Räume realisieren lassen? (…)
Peter Andres: Nach der Potenzialanalyse arbeiten wir daran, den Tageslichteintrag zu optimieren. Stehen Ausrichtung und Volumen des Gebäudes schon fest, kann man immer noch mit mehr oder größeren Fensteröffnungen, hellen und schrägen Laibungen in Richtung des Tageslichteinfalls oder mit unterschiedlichen Glasqualitäten arbeiten. Bei dem Schulprojekt in Clenze haben wir nach einer ersten Analyse den Tageslichteintrag durch eine Zweifachverglasung auf der Südseite verbessern können. Inzwischen gibt es ja schon Glasqualitäten, wo ein Dreifachglas nahezu den Transmissionswert eines Zweifachglases erreicht. (…)
Redaktion: Welche Erfahrungen möchten Sie aus Ihren Projekten an Ihre Architektenkollegen weitergeben, Herr Pohlmann?
Ralf Pohlmann: Bei unserem ersten Projekt unter Beteiligung von Lichtplanern habe ich erkannt, was für eine Qualität Lichtplanung darstellt. Damals haben wir mit dem Büro Lichtkunstlicht zusammengearbeitet. Bei einem Denkmalprojekt folgte die Kooperation mit der Berliner Lichtplanerin Katrin Söncksen. Später habe ich Herrn Andres getroffen, der mich mit dem Konzept von den 1.000 Lux und der bioaktiven Beleuchtung überzeugt hat. Mittlerweile machen wir schon das dritte Schulprojekt zusammen mit dem Büro Andres. Ich würde bei etwas anspruchsvolleren Bauvorhaben immer ein Lichtplanungsbüro mit ins Team holen und das auch dem Bauherrn oder der ausschreibenden Stelle vorschlagen. Diese positive Erfahrung gebe ich gern an andere Architekten oder Auftraggeber weiter.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das vollständige Interview finden Sie im come-inn-Magazin von SAINT-GOBAIN GLASS, dessen aktuelle Ausgabe sich mit Ideen für einladende Tageslichtarchitektur mit Glas beschäftigt.
Mehr über die Astrid Lindgren Südkreisschule in Clenze und das spannende Tageslichtkonzept erfahren sie hier.