Isoliergläser gestern und heute
Vom Luftpolster zum Hightech-Helfer
Schon historische Kastenfenster beruhten auf dem Prinzip, dass Luft zwischen zwei Fensterscheiben wärmeisolierend wirkt. Jahrzehntelang war die Kombination aus Glasscheibe plus Abstandhalter mit einem Klebstoff auf Kunststoffbasis ein Garant für ein dichtes Wärmeschutzsystem. Heutige Isoliergläser mit Warmer Kante können weit mehr als die Kälte draußen zu halten und sind dank moderner Beschichtungen wahre Multitalente.
Das Grundprinzip eines Isolierglases ist die wärmedämmende Eigenschaft eines ruhenden Luftpolsters zwischen zwei Scheiben. Denn unbewegte Luft ist ein schlechter Wärmeleiter, so dass die zwischen zwei Glasscheiben eingeschlossene Luft eine relativ gute Wärmeisolierschicht bildet. Zudem kühlt die nach innen verbaute zweite Scheibe nicht so schnell ab, damit sinkt auch die Rauminnentemperatur langsamer als bei Einfachglas. Schon die Römer sollen angeblich um diese Vorzüge gewusst und die Kälte durch Kastenfenster, also zwei nicht verbundene, hintereinander eingebaute Einfachglas-Scheiben in Schach gehalten haben. Was verwundern mag, da nach anderen wissenschaftlichen Quellen die ersten Fenster aus Glas erst um 1.000 n.Chr. in Europa hergestellt wurden.
Die Anfänge vor 150 Jahren
Die Ursprünge des Isolierglases, wie wir es heute kennen, sind im 19. Jahrhundert in den USA begründet: Der New Yorker Glaser T. D. Stetson erhielt im Jahr 1865 das Patent Nr. 49167 für die Verbindung von zwei Glasscheiben mit einer Randabdichtung– seine Methode dieses Vorläufers des heutigen Randverbundes ist allerdings nicht überliefert. Bekannt dagegen sind Versuche, den Scheibenzwischenraum mit Glaskitt, Filz oder Kork abzudichten, allerdings war der SZR so nicht vollständig dicht und damit nicht kondensatfrei. Die heutigen Mehrscheiben-Isoliergläser bestehen aus zwei oder mehr Glasscheiben, die durch einen bzw. zwei hermetisch abgeschlossenen, meist 8-16 mm breiten Scheibenzwischenraum (SZR) getrennt sind und mit dem Randverbund als dampfdichter Sperre eine komplexe Verglasungseinheit bilden. Das bedeutet, dass (physikalisch) eine Isolierglaseinheit ein eigenständiges System bildet, das auch ohne umlaufenden Rahmen funktionieren muss.
Bis in die 1940er-Jahre wurden in Deutschland die meisten Fenster in Gebäuden mit traditionellen, 2 bis 3 mm starken Einfachgläsern gebaut. Bekannt waren zudem doppelte Einzelverglasungen ohne Luftabschluss wie beim Kasten-, Verbund- und Winterfenster, die bessere energetische Werte hatten.
Thermopen-Fenster
Nach dem Zweiten Weltkrieg und vor allem ab den 1960er-Jahren wurden Isolierglasfenster immer verbreiteter. Sie galten als innovative Verglasungsform von Wohn- und Nichtwohngebäuden, unter anderem von Verwaltungsbauten. Denn Isolierglasfenster verursachten geringere Unterhaltkosten und schufen eine im Vergleich zur Einfachverglasung deutlich verbesserte Wohlfühlatmosphäre im Innenraum. Der Begriff „Thermopane“-Fenster wurde zum Synonym von Wohnkomfort durch Isolierglasfenster: 1938 in den USA von Libbey Owens Ford erfunden, waren „Thermopane“-Glaseinheiten Isoliergläser mit einem gelötetem Randverbund aus Blei. 1950 hatte die Glas- und Spiegel Manufactur AG die alleinige Lizenz zur Fertigung von Themopane-Einheiten in Deutschland erworben und startete 1952 die Produktion in großem Stil unter dem eingedeutschten Begriff „Thermopen“. Bis heute ist der Begriff Thermopen vielen Menschen bekannt, die sonst keine Berührung mit baufachlichen Begriffen haben.
Parallel zum Fortschritt beim „Thermopenglas“ wandelten sich auch die Fenster – sie ließen sich schwingen, horizontal schieben und wenden, es gab immer mehr Materialvarianten für die Rahmen. Der Metallbauingenieur Heinz Pasche und die Dynamit Nobel AG Troisdorf entwickelten das erste Kunststofffenster der Welt, damals noch eine Materialkombination aus Stahl, Kunststoff, Holz und Glas. Sehr schlanke, filigrane Alu-Profile kamen auf den Markt sowie unterschiedliche Materialverbindungen für die Rahmen wie Holz-Kunststoff, Holz-Aluminium oder Holz mit Bronze- oder Kupferprofil-Verkleidungen. Mit der Energiekrise stiegen die Anforderungen an energiesparende Gebäude und damit auch an wärmedämmende Fenster, die nach der Wärmeschutzverordnung von 1977 ab 1978 als Isolierglasfenster vorgeschrieben wurden. Parallel zur Forderung nach effizienten Wärmeschutzgläsern stiegen auch die Anforderungen an den Brand-, Einbruch-, Schall- und Sonnenschutz von Isoliergläsern.
Beginn der hocheffizienten Beschichtungen
Drei Jahrzehnte, von Mitte der 1960er- bis Mitte der 1990er-Jahre, waren Zwei-Scheiben-Isoliergläser Standard, ab 1995 verdrängten Low-E-Glas und eine Befüllung des SZR mit thermisch isolierenden Edelgasen (Argon, Krypton, Xenon) das klassische, heißt unbeschichtete Isolierglas, denn durch Beschichtungen und Edelgas konnten die Werte für den Wärmedurchgangskoeffizient deutlich revolutionär verbessert werden. Zum Vergleich: Ein beschichtetes Dreifach-Isolierglas mit Kryptonfüllung im SZR (0,4 W/m2 x K) hat um den Faktor 14,5 bessere isolierende Werte als eine unbeschichtete 3 mm starke Floatglasscheibe (5,8 W/m2 x K).
Revolutionäre Beschichtungstechnik
Mit der Jahrtausendwende kam das Dreifach-Isolierglas immer mehr in Mode, seit einigen Jahren werden auch Vierfach-Verglasungen und Vakuumverglasungen angeboten. Aber trotz aller Dynamik bei der Entwicklung von Isolierglas wurde das Prinzip Fenster seit Jahrhunderten beibehalten: Es besteht aus der Verglasung und dem Rahmen. Und auch das Prinzip Isolierglas wurde durch effizientere Randverbünde zwar deutlich verbessert, blieb aber per se unverändert. Revolutionär jedoch ist die Entwicklung der Beschichtungstechnik, die zunächst eine wahre „U-Wert-Olympiade“ auslöste und dann im Weiteren aus Isoliergläsern Multifunktionsgläser und damit wahre Alleskönner machte: Beschichtungen sind heute unsichtbare Hightech-Helfer: Durch einen asymmetrischen Scheibenaufbau, also unterschiedlich dicke Glasscheiben, einen größeren Scheibenzwischenraum und die Verwendung einer speziellen Akustikfolie in einem Verbund-Sicherheitsglas werden auftreffende Schallwellen gebrochen und aus der Isolierglaseinheit ist ein hocheffizientes Schallschutzglas geworden. Mit Multi-Funktionsgläsern lassen sich durch die unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten passgenaue individuelle Lösungen entwickeln: ob Gläser mit aufwendigem Design oder Verglasungen mit zusätzlichen technischen Anforderungen. So schützt das Glas nicht mehr „nur“ vor Kälte, es hält auch die Hitze an heißen Tagen draußen, es sorgt für Ruhe, wenn draußen der Lärm anschwillt, und erschwert ungebetenen Gästen den Zugang zum Haus. Und sieht zudem auch noch sehr gut aus.
Welche Eigenschaften heutige Multifunktionsgläser erfüllen können, lesen Sie detailliert im Beitrag „Vielseitigkeit ist Trumpf – Klimakomfort, Energieeffizienz und mehr durch Multifunktionsgläser“.